Die Wahrheit über den Wert von Musik

Wie viel darf eine CD kosten? Wie viel ein Download? Das sind Fragen, die einen Musiker umtreiben – und wenn Du wie ich Deinen Lebensunterhalt durchs Musizieren bestreitest, dann musst Du Dich mit ihnen beschäftigen – denn Fehlentscheidungen können Deine Verkaufseinnahmen gegen Null treiben. Lass uns zwischen den zwei oben genannten Kategorien unterscheiden: CD / LP und Downloads.

In den letzten Jahren sind meine CD-Verkäufe stark zurückgegangen, sowohl bei Konzerten als auch über den Onlineshop. Das macht jeden Monat einen dreistelligen Betrag aus, also stellt sich die Frage: Warum ist das so und was kann ich dagegen tun?

Antworten erhält man durch Befragung potentieller Kunden. Die Leute, die ich um Auskunft gebeten habe, sprachen größtenteils die gleichen Punkte an:

  • Ich habe keinen CD-Player (95% der U30-Generation)
  • Die CDs sind zu teuer. (Preise zwischen 10 und 20 Euro)
  • Ich habe keine Tasche dabei, um sie mit nach Hause zu nehmen (v.a. Frauen)
  • Ich kann vor dem Kauf nicht reinhören

Ganz ehrlich: Ich habe auch keinen CD-Player. Fast beschämend für einen Musikliebhaber, aber es ist so. Meine CDs habe ich fast alle verschenkt, behalten habe ich nur die, die ich persönlich bei Konzerten vom jeweiligen Musiker gekauft habe – als Souvenir, gehört wird die Musik digital vom Handy oder der Festplatte.

Drei der vier meistgenannten Gründe in der obigen Liste haben eins gemeinsam: Ich kann nichts tun, um sie zu ändern. Die Leute haben kein Abspielgerät? Möchten keine 15x15cm – Box herumtragen? Wollen reinhören? Leider kann ich dafür keine Lösung anbieten. Die einzige Schraube, an der ich hier drehen kann, ist der Preis.

Ich stehe nun vor der Entscheidung: Wie viel soll ich für die CDs verlangen? Ein Doppelalbum ist meiner Meinung nach durchaus 20,- Euro wert, aber wenn jemand nur ein Souvenir mit nach Hause nehmen möchte, ist das vielleicht zu viel. Jeder Kunde empfindet den Preis anders, deshalb habe ich einen Versuch gemacht, den mir Kollege Mathew James White einmal empfohlen hat. Bei Konzerten dürfen die Leute nun selbst entscheiden, wie viel sie für eine CD bezahlen wollen: Ob 1, 3, 5 oder 15 Euro – Alles ist OK. Die Buchführung gestaltet sich etwas schwieriger, aber ansonsten ist das eine tolle Lösung, denn:

Nach einem Rückgang der Verkäufe um ca. 80% bei Festpreisen ist es nun so, dass die Verkaufszahlen wieder kontinuierlich ansteigen und die durchschnittlichen Einzelverkaufspreise nur knapp unter den selbst kalkulierten Festpreisen liegen. Klar, ich verkaufe immer noch weniger CDs als früher und bekomme auch noch weniger Geld dafür – aber die Alternative dazu wäre: Ich verkaufe gar keine CDs mehr und muss sie zu tausenden irgendwo lagern – da ist es doch besser, sie finden ihren Weg zum Hörer, unabhängig vom Preis. Vielleicht ist die Zeit der CDs ja einfach vorbei. Wie sind Eure Verkaufszahlen so, Kollegen?

Im Onlineshop sieht die Sache anders aus. Hier gibt es nach wie vor Festpreise, denn die Erfahrung zeigt, dass der durchschnittliche Onlinekunde, der dem Verkäufer nicht in die Augen sehen muss, so wenig bezahlt wie nur möglich. Immer. Da könnte man direkt den Festpreis auf 1 Euro festsetzen und die CDs zu den reinen Versandkosten verscherbeln – dann hebe ich sie lieber für die Konzerte auf. Der Anteil im Onlinegeschäft liegt für echte Tonträger in meinem Fall sowieso bei unter 10%, fällt also kaum ins Gewicht.

A propos Onlineshop: Wenn also die CD ein veraltetes Medium ist, geht dann wenigstens bei den digitalen Medien etwas? Geben die ganzen hippen Youngsters, Millenials und Endzwanziger ihre Bitcoins eventuell für downloadbare Waren aus?

Die Antwort ist: Kann sein. Meine Downloads kaufen sie jedenfalls nicht besonders gerne. Und das, obwohl meine Preise durchweg nur 50% eines iTunes-Albums betragen. Das kann ich mir erlauben, weil ich nicht an Amazon oder Apple horrende Verkaufsprovisionen bezahlen muss. Der Spitzenreiter in meinen Online-Verkaufsranglisten ist das Album „What I’ve done“, das seit 2012 kostenlos verfügbar ist – bzw. auf Spendenbasis angeboten wird. Die durchschnittliche Spende für das Album beträgt null Euro. Dicht gefolgt wird der Verkaufsschlager von „All the things – Karaoke Edition“, dieses Album kostet – you guessed it – nichts.

Was sagt uns das über den Onlinehandel mit digitalen Alben als independent Artist, der einen eigenen Shop betreibt? Mir persönlich sagt es, dass das selbst das Medium mp3 mittlerweile veraltet ist. Der Wert der Musik online, wo sie heute vertrieben wird, ist fast null. Wo es etwas umsonst gibt, holt man es sich umsonst. Klar gibt es große Umsätze bei Amazon, iTunes und den anderen Vertriebsplattformen, die kommen aber durch Bequemlichkeit und schiere Masse zustande. Vielleicht gibt es Wirtschaftsexperten, die das anders erklären können, auf mich wirkt es jedenfalls so.

Musik wird heute gestreamt, nicht gekauft. Streaming ist praktisch kostenlos, weil die Anbieter es so wollen und die Kunden es so verlangen. Es ist die bequemste Art, Musik zu hören und bei den heute vorzugsweise verwendeten Abspielgeräten wie Handys und Laptops ist es auch egal, dass die Soundqualität scheiße ist.

Ich will nicht bestreiten, dass es Leute gibt, die auch heute noch Geld in CDs, LPs und andere Medien investieren (es werden sogar noch Bücher verkauft!), aber die Zukunft sieht finster aus. Im Angesicht von 12jährigen, die auf musical.ly kostenlos urheberrechtlich geschützte Musik in 15-Sekunden-Häppchen benutzen, um Videoselfies zu untermalen und nicht einmal nachgucken können, wer der Interpret ist oder wie das Lied heißt, sehe ich eine Generation nachwachsen, deren Wertschätzung für Musik nicht existent ist.

Als Fazit komme ich für mich persönlich zu folgendem Ergebnis: CDs zu traditionellen Preisen? Nicht bei meinen Konzerten. Downloads zu iTunes – Preisen? Auch nicht in meinem Shop. Meine einzige Möglichkeit, Tonträger in relevanten Stückzahlen zu verkaufen ist bei Konzerten. Sobald meine Alben auf Spotify verfügbar sind, kaufen sowieso nur noch die Dinosaurier unter den Kunden. Die sind es, die den Absatz momentan noch hoch halten. Im Onlineshop stehen ab sofort die Preise auf 5 Euro für Downloads, egal wie viele Songs Du dafür bekommst.

Solange die meistgenutzte Suchmaschine für Musik YouTube ist, sehe ich nur eine Wertbestimmung für Musik: Sie ist so viel wert, wie Du im Moment Deinem Kunden wert bist. Nach einem Konzert, das der Zuschauer genossen hat, kauft er Dein Album für 20 Euro, über die iPhone-App von zuhause aus vielleicht noch für 2 Euro. Oder gar nicht.

Wenn Deine Musik vor allem die älteren Musikfans anspricht, die noch CD-Player haben und auch bereit sind, Kohle für die Scheibe auszugeben, dann kannst Du auch was verkaufen. Wenn Du Musik für Mittzwanziger machst, kannst Du Dir die Produktion von 1000 CDs auch einfach sparen, die bekommst Du in 20 Jahren nicht los.

Was ist also nun die Wahrheit über den Wert der Musik? Bitteschön: Im richtigen Moment ist sie so wertvoll, dass Du praktisch jeden Preis dafür bezahlst, im falschen Moment ist sie gar nichts wert. Meine CDs jedenfalls werden in Zukunft mit folgendem Schild bepreist:

Zahle, was Du willst!

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